Schlussbemerkung
6. Schlussbemerkung
Damit kehren wir zurück zum Anfang. Es wurde angedeutet, dass die Reine Rechtslehre mit der Prononcierung ihres wissenschaftlichen Standpunktes eigentlich eine Selbstverständlichkeit thematisiert. Wenn Selbstverständlichkeiten im Zentrum des Interesses stehen, darf man entweder Banalitäten oder gleich etwas Besonderes erwarten.
Die Geschlossenheit der Reinen Rechtslehre und ihre außergewöhnliche Stringenz haben ungeachtet aller intrinsischen Kritik, zweifelsohne zurecht große Anerkennung erfahren.
Seltsamerweise ist es jedoch der reine, wissenschaftliche, in der Grundnormlehre gipfelnde Ansatz selbst, der gleichermaßen Bewunderung auslöst wie irritiert.
Die Fragen nach der Geltung des Rechts oder nach einer eindeutigen Auslegungen wecken nun einmal die Sehnsucht nach Antworten und es schmerzt zweifelsohne, dass die Kelsen hier jede Aussicht auf eine verlässliche Auskunft zerschlägt. In mancher Kritik, so hat man den Eindruck, schwing deshalb ein wenig Frust mit.
Aber dabei soll es nicht bleiben, denn der Tautologie der Reinen Rechtslehre: „Die Rechtswissenschaft ist eine Wissenschaft vom Recht“, steht das hoffnungsvolle Paradoxon gegenüber: „Die Jurisprudenz ist niemals nur eine Wissenschaft“.
