Verkehrsrecht – Urteile
Amtsgericht Arnsberg: Wertminderung auch bei älteren Fahrzeugen möglich
Amtsgericht Arnsberg, 3 C 339/09
Gericht: Amtsgericht Arnsberg
Aktenzeichen: 3 C 339/09
Tenor:
hat das Amtsgericht Arnsberg
im schriftlichen Verfahren am 20.01.2010
durch
für Recht erkannt:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 487,63 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.04.2009 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 1/4 der Klägerin und zu 3/4 der Beklagten auferlegt. Das gilt nicht für die durch das Gutachten des Sachverständigen G. vom 27.11.2009 verursachten Kosten, die der Beklagten auferlegt werden.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Klägerin macht restlichen Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 18.12.2008 im Bezirk des angerufenen Gerichts ereignete. Hinsichtlich des Haftungsrundes ist zwischen den Parteien die 100-prozentige Haftung der Beklagten unstreitig.
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Bei dem infolge des Unfallgeschehens beschädigten Fahrzeug der Klägerin handelte es sich um eine Mercedes C-Klasse Limousine, mit Erstzulassungsdatum 16.01.2003, die zum Unfallzeitpunkt 176.483 km gelaufen hatte. Die Klägerin ließ den Schaden durch den Dipl.-Ing. L. begutachten, der die Schadenhöhe mit 1.918,62 € netto bezifferte und einen merkantilen Minderwert i. H. v. 150,00 € annahm. Die Beklagte regulierte den Sachschaden unter Bezugnahme auf eine von ihr eingeholte gutachterliche Stellungnahme der D. mit 1.580,99 €, die eine Wertminderung verneint. Die Klägerin holte daraufhin eine ergänzende Stellungnahme des Dipl.-Ing. L. zum Gutachten der D. ein, der seine Einschätzung bestätigte und für die ergänzende Stellungnahme 178,50 € brutto in Rechnung stellte. Weitere Zahlungen leistete die Beklagte aufgrund dieser Stellungnahme jedoch nicht.
3
Die Klägerin – die ihren Schaden fiktiv abrechnet – behauptet, ihr Fahrzeug habe infolge der unfallbedingten Beschädigung eine Wertminderung i. H. v. 150,00 € erlitten. Ferner ist sie der Ansicht, sie könne auf Basis des Gutachtens abrechnen und müsse sich weder die sog. Verbringungskosten noch UPE-Aufschläge abziehen lassen. Die von der Beklagten vorgenommene Kürzung des Schadensersatzbetrages sei insoweit nicht gerechtfertigt. Sie sei berechtigt gewesen, das von der Beklagten vorgelegte Gutachten der D. einer Prüfung unterziehen zu lassen und könne daher auch die hierfür angefallenen Kosten erstattet verlangen.
4
Die Klägerin beantragt,
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die Beklagte zu verurteilen, an sie 666,13 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.04.2009 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
8
Sie hält einen Minderwert angesichts des Fahrzeugalters, der Laufleistung und der Art des Schadens für nicht gerechtfertigt. Verbringungskosten und UPE-Aufschläge seien in Abzug zu bringen, weil es sich insoweit um rein fiktive Kostenpositionen handele. Auch die Kosten der ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen seien nicht erstattungsfähig, weil die abweichende Abrechnung allein auf einer rechtlich und nicht auf einer tatsächlich abweichenden Bewertung beruht habe.
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Wegen des weiter gehenden Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
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Das Gericht hat über die Frage der Wertminderung Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Gutachten des Sachverständigen G. vom 27.11.2009 (Blatt 75 ff. der Akten) Bezug genommen.
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Entscheidungsgründe
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Die Klage ist teilweise begründet.
13
Die Klägerin kann von der Beklagten Zahlung weiteren Schadensersatzes gem. §§ 7, 17 StVG, § 3 PflVersG i. V. m. §§ 823, 249, 251 Abs. 2 BGB in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang verlangen.
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Der Klägerin steht zunächst ein Anspruch auf Ersatz der Wertminderung zu, den ihr Fahrzeug infolge des Unfallereignisses erlitt und den das Gericht mit 150,00 € bemisst.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (zuletzt BGH, Urt. v. 23.11.2004 – VI ZR 357/03 – VersR 2005, 284) erleidet ein Kraftfahrzeug dann einen merkantilen Minderwert, wenn es durch einen Unfall oder ein ähnliches Ereignis nicht nur unerheblich beschädigt wird und trotz technisch völlig einwandfreier Instandsetzung der Verkehr das instand gesetzte Fahrzeug wegen des Verdachts verborgener Mängel geringer bewertet als vergleichbare unfallfreie Kraftfahrzeuge. Die Zubilligung einer Geldentschädigung beruht insoweit auf dem Erfahrungssatz, dass unfallbeschädigte Kraftfahrzeuge – trotz aller Fortschritte in der Reparaturtechnik – auf dem Gebrauchtwagenmarkt selbst im Falle einwandfreier Reparatur gegenüber gleichwertigen Fahrzeugen ohne Vorschaden regelmäßig mit einem Preisabschlag gehandelt werden (vgl. LG Stuttgart, Urt. v. 11.06.2002 – 16 O 75/01 – DAR 2002, 458 ff.). Bei der Bestimmung eines evtl. Minderwerts können eine ganze Reihe von Einflussfaktoren von Bedeutung sein. Neben Fabrikat, Typ, Modell, Ausstattung, Neupreis, Zeitwert (Pflegezustand), Fahrzeugalter, Laufleistung, Vorschäden und Anzahl der Vorbesitzer sind natürlich Aspekte des Schadens, wie die Gesamtreparaturkosten (Materialkosten, Lohnkosten und Lackierungskosten) und die Art der Substanzschädigung (tragende Teile, Austauschteile etc.) zu beachten. Darüberhinaus ist der „Faktor Markt“ von ganz ausschlaggebender Bedeutung. D. h., dass die Bewertung des Minderwerts entscheidend von der Einschätzung des Marktes und somit von der Marktgängigkeit eines Fahrzeuges, den gesamtwirtschaftlichen Umständen, regionalen Besonderheiten und den gesetzlichen Rahmenbedingungen (Bsp.: Abwrackprämie oder Steuervorteile) bestimmt wird.
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Diese Überlegungen zeigen, dass ein Minderwert in keinem Fall allein deshalb entfällt, weil ein Fahrzeug älter als 5 Jahre ist oder mehr als 100.000 km gelaufen hat. Eine solche pauschale Betrachtung wird den Entwicklungen am Markt nicht gerecht. Die von der früheren Rechtsprechung gezogene Grenze für die Zuerkennung des merkantilen Minderwerts von 100.000 km, ist zwischenzeitlich in Auflösung begriffen (vgl. Wenker in jurisPR-VerkR 5/2009, Anm. 2). Angesichts der besseren Verarbeitung der Fahrzeuge und der daraus resultierenden Langlebigkeit ziehen die Instanzgerichte keinesfalls mehr eine starre Grenze bei 100.000 km (vgl. z. B. OLG Oldenburg, Urt. v. 01.03.2007 – 8 U 246/06 – DAR 2007, 522 (195.648 km); OLG Düsseldorf, Urt. v. 17.11.1986 – 1 U 229/85 – DAR 1988, 159 (136.080 km); AG Rendsburg, Urt. v. 20.08.2005 – 11 C 334/05 – ZfS 2006, 90 (122.000 km)) und auch der Bundesgerichtshof hat in seiner Entscheidung aus dem Jahre 2004 (BGH, Urt. v. 23.11.2004 – VI ZR 357/03 – NJW 2005, 277) bereits angedeutet, dass die fortschreitende technische Entwicklung eine höhere Obergrenze rechtfertigt.
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Es ist auch nicht plausibel, dass bei Fahrzeugen, die älter als 5 Jahre sind, kein merkantiler Minderwert mehr eintreten soll. Ein entsprechender Wandel auf dem Gebrauchtwagenmarkt spiegelt sich bereits in der Bewertung von Gebrauchtfahrzeugen durch Schätzorganisationen wie Schwacke und DAT wieder. Diese gehen in ihren Notierungen mittlerweile bis auf 12 Jahre zurück und weisen ausdrücklich darauf hin, dass sich sämtliche Marktnotierungen auf unfallfreie Fahrzeuge beziehen (BGH, a.a.O., OLG Oldenburg a.a.O.). Die höhere Haltbarkeitserwartung eines Fahrzeuges führt z. T. dazu, dass auch ältere Fahrzeuge am Gebrauchtwagenmarkt noch beachtliche Preise erzielen können. Die 5-Jahres-Grenze beruht auf einer Entschließung des 13. Verkehrsgerichtstages aus dem Jahre 1975. Seitdem ist aber sowohl das Durchschnittsalter als auch der Durchschnittspreis von Gebrauchtfahrzeugen derart angestiegen, dass die 5-Jahres-Grenze heute nicht mehr haltbar ist.
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Unter Berücksichtigung vorstehender Grundsätze ist das Gericht nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme davon überzeugt, dass der merkantile Minderwert des Fahrzeuges der Klägerin mit 150,00 € zu bemessen ist.
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Das Gericht gründet diese Einschätzung auf das sorgfältig erstattete und nachvollziehbar begründete Gutachten des für Kraftfahrzeugschäden und -bewertung öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen G. vom 27.11.2009. Der Sachverständige führt in seinem Gutachten – das auch von der Beklagten nicht angegriffen wird – aus, dass die Ermittlung des Minderwerts sich in erster Linie am Markt orientieren muss. Dabei spielen insbesondere der Wert und der Pflegezustand sowie die Art des Schadens eine entscheidende Rolle. Nach Darstellung des Sachverständigen besteht für das Fahrzeug eine mittlere Marktgängigkeit, so dass ein Kaufinteressent ausreichend Gelegenheit hat, sich um ein vergleichbares unfallfreies Fahrzeug zu kümmern. Andererseits befand sich das Fahrzeug in einem attraktiven Pflegezustand und war checkheftgepflegt. Diese Aspekte machen das Fahrzeug für einen potentiellen Käufer interessant, der allerdings das Unfallereignis und den daraus resultierenden Austausch der Fahrzeugtür mit Nachlackierung regelmäßig zum Anlass für Nachverhandlungen nehmen wird. Unter Heranziehung des vom BVSK entwickelten Modells zur Ermittlung des Minderwerts kommt der Sachverständige zu dem Ergebnis, dass am Markt ein realistischer Minderwert von 150,00 € eintreten wird. Das ist nicht zu beanstanden.
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Auch die Art des Schadens führt zu keiner anderen Beurteilung, da trotz Austauschs der Tür zumindest Auswirkungen des Unfalls in Form anderer Lackschichtdicken verbleiben.
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Die Klägerin kann auch den Ausgleich restlicher Reparaturkosten in Höhe von 337,63 € verlangen.
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Insoweit geht es einerseits um die Frage, ob Verbringungskosten und sog. UPE-Aufschläge auch im Falle einer fiktiven Schadensabrechnung erstattungsfähig sind und andererseits darum, ob sich der Geschädigte auf die günstigeren Stundenverrechnungssätze einer Fachwerkstatt verweisen lassen muss.
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Beide Komplexe betreffen im Kern die Frage, inwieweit es sich um den „erforderlichen“ Wiederherstellungsaufwand i. S. d. § 249 Abs. 2 BGB handelt. Der erforderliche Geldbetrag bemisst sich danach, was von dem Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Eigentümers in der Lage des Geschädigten für die Instandsetzung des Fahrzeugs zweckmäßig und angemessen erscheint. Für das, was insoweit zur Schadensbeseitigung erforderlich ist, ist ein objektivierender, nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten typisierender Maßstab anzulegen.
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Dies vorausgeschickt, ist das Gericht der Ansicht, dass auch im Falle fiktiver Schadensabrechnung Anspruch auf Ersatz sog. UPE-Aufschläge und von Verbringungskosten in dem durch das Schadengutachten dargestellten Umfang besteht.
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Die Rechtsprechung zur Erstattungsfähigkeit von UPE-Aufschlägen bei fiktiver Abrechnung auf Gutachtenbasis ist geteilt (vgl. die Übersicht bei Eggert, Verkehrsrecht aktuell 2007, 141, 144). Nach der wohl herrschenden Meinung können prozentuale Aufschläge auf Ersatzteilpreise auch bei der fiktiven Abrechnung verlangt werden, wenn und soweit sie regional üblich sind. Dann machen sie den erforderlichen Reparaturaufwand aus, der für die Behebung des Fahrzeugschadens erforderlich ist (Eggert a.a.O.). Dieser Auffassung schließt sich das Gericht an. Denn es ist – sowohl aus eigener Erfahrung als auch aufgrund von Erkenntnissen aus Parallelverfahren – gerichtsbekannt, dass markengebundene Werkstätten im hiesigen Raum UPE-Aufschläge auf Ersatzteilpreise erheben. Es handelt sich dabei um branchenüblich erhobene Zuschläge, die aufgrund der Lagerhaltung von Originalersatzteilen auf die unverbindliche Preisempfehlung des Ersatzteilherstellers aufgeschlagen werden. Damit soll unter anderem der Aufwand abgegolten werden, der mit der ständigen Vorhaltung von Originalersatzteilen verbunden ist; denn deren ständige Verfügbarkeit verkürzt in der Regel die Reparaturdauer.
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Der anderen Ansicht vermag sich das Gericht deshalb nicht anzuschließen, weil sie im Ergebnis darauf hinausliefe, dass die fraglichen Aufschläge nur im Falle ihrer tatsächlichen Berechnung nach der Fahrzeuginstandsetzung erstattungsfähig wären. Indes ist bei der fiktiven Abrechnung auf Gutachtenbasis die tatsächliche Reparatur gerade nicht maßgeblich.
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Da die Beklagte – selbst unter Heranziehung des von ihr vorprozessual eingeholten Schadengutachtens – nicht darlegt, warum von der in der Region üblichen Abrechnungsweise abzuweichen wäre, sind die berechneten UPE-Aufschläge erstattungsfähig.
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Dasselbe gilt für Verbringungskosten. Auch insoweit handelt es sich um den erforderlichen Wiederherstellungsaufwand, weil die Werkstätten in der Region gerichtsbekannt kaum noch über eigene Lackierereien verfügen sondern üblicherweise in Spezialwerkstätten lackieren lassen. Dem Einwand, es handele sich bei den Verbringungskosten um eine doppelte Fiktion vermag das Gericht ebenfalls nicht zu folgen, weil dieser Ansatz verkennt, dass es um die Ermittlung der „erforderlichen“ Kosten geht.
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Nach Auffassung des Gerichts kann die Klägerin ferner auf Basis der Stundenverrechnungssätze einer markengebundenen Fachwerkstatt abrechnen.
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Ob und in welchem Umfang sich der Geschädigte auf die günstigeren Stundenverrechnungssätze eines von der Schädigerseite benannten Reparaturbetriebs verweisen lassen muss, ist in der Rechtsprechung trotz des sog. „Porsche-Urteils“ des BGH (Urt. v. 29.04.2003 – VI ZR 398/02 – NJW 2003, 2086) auch obergerichtlich weiterhin umstritten. Während das OLG Oldenburg eine solche Verweisung im Fall einer technisch gleichwertigen Reparatur zugelassen hat (OLG Oldenburg, Hinweisbeschluss v. 06.11.2007 – 2 U 59/07), hat das KG unter Berufung auf eine fehlende wirtschaftliche Gleichwertigkeit eine solche Verweisung abgelehnt (KG, Urt. v. 30.06.2008 – 22 U 13/08). Daneben findet man eine Reihe differenzierender Urteile, die z.B. im Falle „einfacher“ Instandsetzungsarbeiten oder dann, wenn die Reparatur wegen des Fahrzeugalters keinen besonderen Einfluss mehr auf den Wert des Fahrzeuges hat, eine konkrete Verweisung auf die Reparatur in einer freien Fachwerkstatt billigen (vgl. die Zusammenstellung von Nugel, ZfSch 2007, 248 – 255).
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Eine abschließende Entscheidung zwischen den unterschiedlichen Auffassungen kann hier dahinstehen. Denn ein Verweis auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit setzt jedenfalls voraus, dass diese nicht nur gleichwertig sondern auch für den Geschädigten mühelos und ohne weiteres zugänglich ist (vgl. Woyte, jurisPR-VerkR 2/2007 Anm. 4). Die Beklagte hat jedoch nicht einmal einen konkreten Betrieb benannt, auf den sich die Klägerin verweisen lassen sollte. Den pauschalen Hinweis auf günstigere Reparaturmöglichkeiten in einer Fachwerkstatt hält das Gericht aber in keinem Fall für ausreichend, weil damit nicht einmal die Möglichkeit eröffnet wird, die Frage der gleichwertigen Reparatur bei müheloser Zugänglichkeit überhaupt zu überprüfen. Ferner ist zu berücksichtigen, dass es am Kriterium der mühelosen Zugänglichkeit einer günstigen Reparaturmöglichkeit ohnehin stets dann fehlen dürfte, wenn das Abstellen auf Zuverlässigkeit und Zumutbarkeitskriterien zu Auseinandersetzungen darüber führt, ob sich der Geschädigte im konkreten Fall auf eine bestimmte, nicht markengebundene Fachwerkstatt verweisen muss. Denn die Auseinandersetzung hierüber verhindert bereits eine mühelose Zugänglichkeit.
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Die Klägerin kann allerdings nicht die Kosten der ergänzenden gutachtlichen Stellungnahme i. H. v. 178,50 € brutto erstattet verlangen.
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Das Gericht ist zwar der Auffassung, dass der Geschädigte das Gutachten einer Versicherung, auf das diese sich im Rahmen der Schadensregulierung stützt, grundsätzlich einer ergänzenden Prüfung unterziehen darf und sich hierzu seinerseits auch eines Sachverständigen bedienen darf, wenn ihm die eigene Sachkunde fehlt. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass der Geschädigte nur den erforderlichen Wiederherstellungsaufwand ersetzt verlangen kann und dass ihn eine Schadensminderungspflicht trifft.
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Zum erforderlichen Aufwand gehört eine ergänzende Begutachtung vor diesem Hintergrund aber nur dann, wenn eine technisch-kalkulatorische Fragestellung zu beantworten ist. Die Beantwortung von Rechtsfragen obliegt nämlich nicht dem Sachverständigen. Wie aus obigen Ausführungen deutlich wird, betrafen die Kürzungen der Beklagten die Bereiche UPE-Aufschläge, Verbringungskosten und Stundensätze. Bereits bei einer einfachen Gegenüberstellung des von der Klägerin eingeholten Schadensgutachtens mit dem von der Beklagten beauftragten Gutachten wird deutlich, dass es ausschließlich um die Abrechnungsfähigkeit dieser Kostenpositionen und somit ausschließlich um Rechtsfragen ging. Dementsprechend finden sich in der ergänzenden Stellungnahme auch keinerlei technisch-kalkulatorischen Ausführungen sondern lediglich der Hinweis, dass im Gutachten der Beklagten „falsche Stundenverrechnungssätze“ angegeben worden seien. Dies war für die anwaltlich vertretene Klägerin auch ohne sachverständige Stellungnahme ohne weiteres erkennbar. Die Kosten der ergänzenden Stellungnahme können damit nicht als erforderlich angesehen werden.
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Die geltend gemachten Nebenforderungen rechtfertigen sich aus §§ 280, 286, 288 BGB.
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92, 96 ZPO. Da das Sachverständigengutachten ausschließlich die Frage der Wertminderung betraf und die Beklagte insoweit vollständig unterliegt, waren ihr die Kosten gem. § 96 ZPO aufzuerlegen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 713 ZPO.
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Oberverwaltungsgericht NRW zur Anerkennung ausländischer Fahrerlaubnis
Gericht: Oberverwaltungsgericht NRW
Spruchkörper: 16. Senat
Aktenzeichen: 16 B 1067/09
Tenor:
Auf die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Minden vom 2. Juli 2009 wird der angefochtene Beschluss mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Der Antrag des Antragstellers auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage (Az. VG Minden 12 K 1423/09) gegen die Ordnungsver-fügung des Antragsgegners vom 13. Mai 2009 wird abgelehnt.
Der Antragsteller trägt die Kosten beider Rechtszüge.
Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.
Gründe:
Die Beschwerde des Antragsgegners hat Erfolg. Der Antragsteller kann nicht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage beanspruchen.
Der Senat ist anders als das Verwaltungsgericht der Auffassung, dass die Klage des Antragstellers offensichtlich unbegründet ist und deshalb das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der angefochtenen Ordnungsverfügung vom 13. Mai 2009 gegenüber dem persönlichen Interesse des Antragstellers am vorläufigen weiteren Gebrauchmachen von seiner EUFahrerlaubnis auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland überwiegt.
Der Antragsgegner ist jedenfalls im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die in Ungarn ausgestellte Fahrerlaubnis des Antragstellers kraft Gesetzes nicht zum Führen von Kraftfahrzeugen im Bundesgebiet berechtigt. Das Fehlen der Berechtigung, die Fahrerlaubnis in der Bundesrepublik Deutschland zu nutzen, folgt aus § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV und die Befugnis des Antragsgegners zum Erlass eines Feststellungsbescheides aus § 28 Abs. 4 Satz 2 FeV; diese Regelungen sind auch auf Fahrerlaubnisse anzuwenden, die in einem EU oder EWRStaat im Wege des Umtauschs eines Führerscheins aus einem Drittstaat erworben worden sind.
Vgl. Dauer, in: Hentschel/König/Dauer, Straßenverkehrsrecht, Kommentar, 40. Aufl., § 28 FeV Rn. 4, unter Hinweis auf BRDrucks. 443/98, S. 283.
Nach § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV gilt die Berechtigung zum Führen von Kraftfahrzeugen im Inland nicht für Inhaber einer EU oder EWRFahrerlaubnis, die ihren Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland haben und denen unter anderem zuvor im Inland die Fahrerlaubnis von einem Gericht oder einer Verwaltungsbehörde entzogen oder eine beantragte Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt worden ist. Dass der Antragsteller ungeachtet etwaiger zwischenzeitlicher Auslandsaufenthalte zumindest jetzt (wieder) in Deutschland lebt, ergibt sich schon aus seinen Einlassungen. Eine Fahrerlaubnisentziehung oder eine bestandskräftige Versagung eines Antrags auf Erteilung einer Fahrerlaubnis liegen zwar nicht vor. Der Antragsteller hat aber, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis zu sein, wiederholt Verkehrsdelikte begangen, die im Falle des Besitzes einer Fahrerlaubnis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zur Entziehung dieser Fahrerlaubnis geführt hätten. Es kann ihn daher im Hinblick auf die Anwendung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV nicht privilegieren, dass er die beiden Trunkenheitsfahrten in den Jahren 2003 und 2004 begangen hat, ohne im Besitz einer Fahrerlaubnis für die verwendeten Fahrzeuge gewesen zu sein, d.h. sich zusätzlich des vorsätzlichen Führens eines Kraftfahrzeuges ohne Fahrerlaubnis schuldig gemacht hat. Im Übrigen muss bei wertender Betrachtung der bestandskräftigen Versagung einer beantragten Fahrerlaubnis der Fall gleichgestellt werden, in dem der Betroffene einen Fahrerlaubnisantrag zurücknimmt, nachdem er im Erteilungsverfahren ohne Erfolg eine ärztliche oder eine medizinisch-psychologische Begutachtung hat durchführen lassen oder aber wie vorliegend eine solche Untersuchung verweigert hat. Denn es kann keinen rechtlichen Unterschied begründen, ob einem Fahrerlaubnisbewerber wegen einer negativen Begutachtung oder wegen der Verweigerung einer Begutachtung die Erteilung der beantragten Fahrerlaubnis bestandskräftig versagt wird oder ob er aus denselben Gründen durch die Antragsrücknahme hier am 22. April 2008 der sicheren Ablehnung seines Antrags zuvorkommt.
Die Anwendung des § 28 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 FeV ist auch weder im Hinblick auf die Vereinbarkeit der in dieser Vorschrift geregelten Anerkennungsverweigerung mit Europäischem Recht noch wegen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Frage gestellt.
Eine vorliegend noch an der 2. Führerscheinrichtlinie (Richtlinie 91/439/EWG) zu messende Europarechtswidrigkeit liegt auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs
vgl. zuletzt Beschluss vom 9. Juli 2009 C445/08 (Wierer) , Juris,
schon deshalb nicht vor, weil vorliegend Art. 8 Abs. 6 der Richtlinie 91/439/EWG anzuwenden ist und bei der Anwendung dieser Bestimmung anders als bei Art. 8 Abs. 4 der Richtlinie 91/439/EWG kein prinzipieller Anwendungsvorrang des Anerkennungsgrundsatzes gemäß Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG besteht. Art. 8 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 2 der Richtlinie 91/439/EWG bestimmt, dass nach dem Umtausch eines von einem Drittstaat also weder einem EU noch einem EWRStaat ausgestellten Führerscheins gegen einen Führerschein nach dem EGMuster und einer aufgrund der Angaben des Antragstellers hier anzunehmenden Verlegung des Wohnsitzes in einen anderen Mitgliedstaat dieser (Zuzugs)Mitgliedstaat Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG nicht anzuwenden braucht. Dieser klare Normbefund gibt keine Handhabe, durch ein extensives Verständnis des Anerkennungsgrundsatzes nach Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 91/439/EWG die Befugnisse der Zuzugsstaaten zur Gewährleistung ihrer einzelstaatlichen Sicherheitsstandards im Fahrerlaubnisrecht einzuschränken.
Vorliegend kann mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem solchen Umtausch einer Fahrerlaubnis eines Drittstaates in Ungarn ausgegangen werden. Die unter II. in Anlage 9 zur FeV genannte, in der gesamten EU geltende einleitende Schlüsselzahl 70, die in dem ungarischen Führerschein des Antragstellers (Feld 12) eingetragen ist, belegt den Umtausch einer in Ungarn vorgelegten Fahrerlaubnis eines anderen Staates. Die Verwendung des Kürzels „RUS“ lässt zwanglos auf einen Ersterwerb der Fahrerlaubnis in der Russischen Föderation schließen. Der Antragsteller ist der Darstellung des Antragsgegners über die Umstände des Fahrerlaubniserwerbs auch nicht substanziiert entgegengetreten. Aufgrund der erheblichen Vorbelastung des Antragstellers, der bereits im Alter von 19 bzw. 20 Jahren dreimal hochgradig alkoholisiert (Blutalkoholkonzentrationen von 2,26, 2,14 und 1,70 Promille) am Straßenverkehr teilgenommen hat, darunter zweimal ohne die erforderliche Fahrerlaubnis mit einem Kraftfahrzeug, darüber hinaus aber auch wegen der offenkundigen Absicht des Antragstellers, sich der Anwendung der in Deutschland geltenden Standards bei der Fahrerlaubniserteilung zu entziehen, ist die Entscheidung des Antragsgegners, den Führerscheinumtausch im Inland nicht anzuerkennen, auch ohne Weiteres ermessensgerecht. Auf die Frage, inwieweit sich die abschließend vom Landgericht Q. im Urteil vom 24. Mai 2005 verhängte Sperrfrist für die Erteilung einer Fahrerlaubnis auf die Anerkennungsfähigkeit der in Ungarn umgetauschten russischen Fahrerlaubnis auswirkt, kommt es nach alledem nicht an.
Unter den aufgezeigten Umständen liegt auch der vom Verwaltungsgericht gesehene Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht vor. Soweit der Senat die Rechtmäßigkeit von Ordnungsverfügungen, mit denen Inländern das Recht aberkannt worden ist, im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland von einer im Ausland erworbenen Fahrerlaubnis Gebrauch zu machen, von einer Aufforderung zum Nachweis der vermeintlich wiedererlangten Fahreignung abhängig gemacht hat,
vgl. OVG NRW, Beschlüsse vom 13. September 2006 16 B 989/06 , VRS 111 (2006), 466 = Blutalkohol 43 (2006), 507 = Juris (Rn. 34), vom 7. August 2007 16 B 418/07 , Juris, sowie vom 12. Januar 2009 16 B 1610/08 , DAR 2009, 159 = VRS 116 (2009), 314 = Blutalkohol 46 (2009), 109 = Juris (Rn. 35),
betraf das ausschließlich Fälle, in denen bereits die ausländische Fahrerlaubnisbehörde die Fahreignung des Betroffenen wenngleich möglicherweise gemessen an den deutschen Bestimmungen unzulänglich überprüft hat. Hat aber wie vorliegend keine materielle Fahreignungsprüfung durch die Fahrerlaubnisbehörde eines EU oder EWRStaates stattgefunden, besteht für die inländische Fahrerlaubnisbehörde unter dem Gesichtspunkt der grundsätzlichen Pflicht zur Anerkennung EU bzw. EWRausländischer Fahrerlaubnisse kein Anlass, im Vorfeld einer aberkennenden Entscheidung eigene Ermittlungen über die Fahreignung des betreffenden Fahrerlaubnisinhabers anzustellen.
Abschließend bleibt anzufügen, dass die vom Antragsteller vermutlich im Jahr 2006 erworbene russische Fahrerlaubnis diesen nicht mehr zum Führen von Kraftfahrzeugen in der Bundesrepublik Deutschland berechtigt. Abgesehen davon, dass der Antragsteller seinen russischen Führerschein beim Umtausch in Ungarn den dortigen Behörden ausgehändigt haben dürfte (vgl. Art. 8 Abs. 6 Unterabs. 2 Satz 1 Richtlinie 91/439/EWG), ist nach der Beendigung des offensichtlich auf die Zeit für den Erwerb der Fahrerlaubnis beschränkten Aufenthalts des Antragstellers in der Russischen Föderation der Fortgeltungszeitraum von sechs Monaten (§ 29 Abs. 1 Satz 3 FeV) seit langem abgelaufen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung aus den §§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 und 2 sowie 53 Abs. 3 Nr. 2 GKG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, §§ 68 Abs. 1 Satz 5, 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).
Haben Sie Fragen zu diesem Beschluss oder zu sonstigen Themen des Fahrerlaubnisrechts, insbesondere zur Anerkennung „ausländischer Führerscheine“?
Dr. David Donner Rechtsanwalt, Fachanwalt für Verkehrsrecht, berät Mandanten bundesweit seit Jahren in Angelegenheiten des Fahrerlaubnisrechts.
Kein Bußgeld wg. bloßen Aufhebens eines Handys
Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 3. Senat für Straf, – und Bußgeldsachen
Aktenzeichen: IV-2 Ss (OWi) 134/06 – (OWi) 70/06 III
Leitsätze:
Leitsatz
Das bloße Aufheben oder Umlagern eines Mobiltelefons während der Fahrt erfüllt nicht den Tatbestand der verbotswidrigen Benutzung eines Mobiltelefons nach § 23 Abs. 1a StVO (im Anschluss an OLG Köln NJW 2005, 3366 = NStZ 2006, 248 = NZV 2005, 547).
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht zurückver-wiesen.
G r ü n d e :
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Verstoßes gegen § 23 Abs. 1a StVO zu einer Geldbuße von 40 € verurteilt. Mit Beschluss vom 2. Oktober 2006 hat der Einzelrichter die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Rechtsbeschwerde zugelassen, um die Nachprüfung des Urteils zur Fortbildung des Rechts zu ermöglichen, und hat die Sache dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
II.
Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Der angefochtene Urteil ist materiell-rechtlich fehlerhaft, weil die tatrichterlichen Feststellungen die Verurteilung wegen verbotswidriger Benutzung eines Mobiltelefons nicht tragen.
Nach § 23 Abs. 1a StVO ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons untersagt, wenn er es hierfür aufnimmt oder hält. Nach den tatrichterlichen Feststellungen, die auf der Einlassung des Betroffenen beruhen, hat dieser sein (heruntergefallenes) Mobiltelefon lediglich aufgenommen und in der Hand gehalten, um es vom Fußraum auf den Beifahrersitz zu legen. Allein dieses Verhalten hat das Amtsgericht bereits als Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO gewertet und von einer weiteren Sachaufklärung durch Vernehmung der als Zeugen geladenen Polizeibeamten abgesehen.
Diese Beurteilung des Normgehalts der Vorschrift des § 23 Abs. 1a StVO ist rechtsfehlerhaft. Sie überschreitet die äußersten Grenzen verfassungskonformer richterlicher Auslegung, die durch den (noch) möglichen Wortsinn markiert wird. Da Art. 103 Abs. 2 GG Erkennbarkeit und Vorhersehbarkeit für den Normadressaten verlangt, ist für die Auslegung einer bußgeldbewehrten Verbotsvorschrift in erster Linie der für den Adressaten erkennbare und verstehbare Wortlaut des gesetzlichen Tatbestandes maßgebend. Für Interpretationen, die über den erkennbaren Wortsinn hinausgehen, ist dabei kein Raum (vgl. BVerfGE 71, 108, 114 f. = NJW 1986, 1671, 1672; BVerfGE 73, 206, 234 f. = NJW 1987, 43, 44; BVerfGE 92, 1, 12 f. = NJW 1995, 1141; BVerfG NJW 2005, 2140, 2141; KK-Rogall, OWiG, 3. Aufl., § 3 Rdn. 31 u. 53 m.w.N.).
Nach dem Wortlaut der Vorschrift ist dem Fahrzeugführer die Benutzung eines Mobiltelefons untersagt, wenn er es hierfür aufnimmt oder hält. Schon nach seinem Wortsinn erfordert der Begriff der Benutzung, dass die Handhabung des Mobiltelefons einen Bezug zu einer der Funktionen des Geräts aufweist. Nicht das Aufnehmen und Halten des Mobiltelefons als solches wird untersagt, sondern – wie das zweckgerichtete Tatbestandsmerkmal „hierfür“ verdeutlicht – allein dessen bestimmungsgemäße Verwendung. Es bedarf im vorliegenden Fall keiner Erörterung, inwieweit neben dem Führen von Telefongesprächen und den in der Gesetzesbegründung beispielhaft genannten weiteren Bedienfunktionen wie Anwählen, Versendung von Kurznachrichten und Abrufen von Internetdaten (vgl. BR-Drucksache 599/00, S. 18) auch „telefonfremde“ Verwendungsmöglichkeiten, welche Mobiltelefone neuerer Bauart bieten (Organisator-, Diktier-, Kamera-, Zeitmess- und Spielefunktionen), von dem Benutzungsverbot des § 23 Abs. 1a StVO erfasst werden (vgl. hierzu OLG Hamm NJW 2003, 912; NJW 2005, 2469; NJW 2006, 2870; OLG Jena Verkehrsrecht aktuell 2006, 142).
Entgegen der Auffassung des Amtsgerichts kann jedenfalls in dem bloßen Aufheben oder Umlagern eines Mobiltelefons kein Verstoß gegen § 23 Abs. 1a StVO gesehen werden (vgl. OLG Köln NJW 2005, 3366, 3367; zustimmend: Schäpe DAR 2005, 696, 697; Scheffler NZV 2006, 128, 129). Denn bei einer solchen Handhabung fehlt jeglicher Bezug zu einer gerätetechnischen Bedienfunktion. Ein Kraftfahrzeugführer muss nach dem erkennbaren und verstehbaren Wortlaut der Verbotsvorschrift nicht damit rechnen, dass bereits das bloße Aufheben oder Umlagern eines Mobiltelefons sanktioniert wird. Es wäre auch nicht einsichtig, eine solche funktionsneutrale Tätigkeit bei einem Mobiltelefon anders zu bewerten als bei sonstigen im Fahrzeug mitgeführten Gegenständen (z.B. Getränkeflasche, Zeitschrift, Zigarettenschachtel).
Der Senat kann nicht in der Sache selbst entscheiden, da nach der zur weiteren Sachaufklärung gebotenen Beweiserhebung durch Vernehmung der im Bußgeldbescheid benannten Polizeibeamten andere tatrichterliche Feststellungen möglich erscheinen. Die Sache war daher unter Aufhebung des Urteils und der diesem zugrunde liegenden Feststellungen an das Amtsgericht zurückzuverweisen (§ 79 Abs. 3 u. 6 OWiG, § 353 StPO).
III.
Der Tenor des angefochtenen Urteils gibt Anlass zu dem Hinweis, das die Tat auch in Bußgeldsachen in der Urteilsformel – sofern nicht gesetzliche Überschriften zu verwenden sind – mit Worten anschaulich und verständlich zu bezeichnen ist. Die angewendeten Vorschriften sind erst nach der Urteilsformel aufzuführen (vgl. OLG Düsseldorf NZV 2000, 382; NZV 2001, 89, 90).
Ferner weist der Senat darauf hin, dass bei der verbotswidrigen Benutzung eines Mobiltelefons während der Fahrt regelmäßig nur vorsätzliches Handeln in Betracht kommen dürfte (vgl. OLG Jena NStZ-RR 2005, 23).
Absehen vom Fahrverbot nur bei beweisfundierter Darlegung besonderer Härten
Gericht: Oberlandesgericht Düsseldorf
Spruchkörper: 4. Senat für Straf, – und Bußgeldsachen
Aktenzeichen: IV-5 Ss (OWi) 5/08 – (OWi) 9/08 IV
Tenor:
Das angefochtene Urteil wird im Rechtsfolgenausspruch mit den insoweit getroffenen Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
G r ü n d e :
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen durch Urteil vom 20. August 2007 wegen einer fahrlässigen Ordnungswidrigkeit (Geschwindigkeitsüberschreitung) zu einer Geldbuße von 220,– € verurteilt, jedoch von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen. Gegen dieses Urteil richtet sich die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Krefeld, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist.
II.
Die gemäß § 79 Abs. 3 und 4 OWiG, §§ 341 Abs. 1, 344, 345 StPO zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache Erfolg.
1.
Die Rechtsbeschwerde ist wirksam auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt worden. Die Urteilsfeststellungen tragen die Verurteilung des Betroffenen wegen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit. Dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ist in ausreichender Weise zu entnehmen, dass die Geschwindigkeitsmessung außerhalb geschlossener Ortschaft vorgenommen ist. Die Urteilsgründe enthalten auch Angaben zur festgestellten Geschwindigkeit unter Abzug der Messtoleranz und des verwandten Messverfahrens. Konkrete Anhaltspunkte für Messfehler sind in dem Urteil nicht festgestellt worden.
2.
Jedoch kann der Rechtsfolgenausspruch des angefochtenen Urteils keinen Bestand haben. Die Erwägungen des Amtsgerichts rechtfertigen weder für sich genommen noch unter Gesamtwürdigung aller Umstände das Absehen von der Verhängung eines gemäß §§ 25, 24 StVG, 4 Abs. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.7. des Anhangs der Tabelle 1 zu § 1 Abs. 2 BKatV regelmäßig vorgesehenen Fahrverbots. Zwar unterliegt die Entscheidung, ob trotz Vorliegens eines Regelfalls der konkrete Sachverhalt Ausnahmecharakter hat und demgemäß von der Verhängung eines Fahrverbots abgesehen werden kann, in erster Linie der Beurteilung durch den Tatrichter (vgl. BGH NZV 1992, 286, 288). Dem Tatrichter ist jedoch kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt, das nur auf Vorliegen von Ermessensfehlern hin vom Rechtsbeschwerdegericht überprüfbar ist, sondern der dem Tatrichter verbleibende Entscheidungsspielraum ist durch gesetzlich niedergelegte oder von der Rechtsprechung herausgearbeitete Zumessungskriterien eingeengt und unterliegt insoweit hinsichtlich der Angemessenheit der verhängten Rechtsfolge in gewissen Grenzen der Kontrolle durch das Rechtsbeschwerdegericht, und zwar insbesondere hinsichtlich der Annahme der Voraussetzungen eines Durchschnittsfalls oder Regelfalls, zu der auch die Frage der Verhängung bzw. des Absehens von der Verhängung des Regelfahrverbots nach der Bußgeldkatalogverordnung zu zählen ist.
Nach diesen Maßstäben stellen die vom Amtsgericht angeführten Umstände weder für sich allein noch in der Gesamtschau Gründe dar, die das gesamte Tatbild vom Durchschnitt der erfahrungsgemäß vorkommenden Fälle in der Weise abweichend erscheinen lassen, dass ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes angemessen wäre. Berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge eines angeordneten Fahrverbotes rechtfertigen nicht das Absehen von der Verhängung eines Regelfahrverbotes, sondern nur Härten ganz außergewöhnlicher Art, wie z.B. drohender Verlust des Arbeitsplatzes oder einer sonstigen wirtschaftlichen Existenzgrundlage (OLG Düsseldorf – 3. Senat – Beschluss vom 13.03.2004 – 2a Ss (OWi) 67/00 – (OWi) 24/00 III). Die Entscheidung über das Absehen vom Regelfahrverbot ist dabei eingehend zu begründen und mit ausreichenden Tatsachen zu belegen; eine unkritische Übernahme der Einlassung des Betroffenen ist insoweit nicht ausreichend (vgl. OLG Hamm NZV 1996, 118). Ob gravierende berufliche Nachteile ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigen können, bedarf dabei der positiven Feststellung und Darlegung der entsprechenden Tatsachen in den Urteilsgründen. Grundsätzlich hat jeder Betroffene berufliche und wirtschaftliche Schwierigkeiten als Folge des Fahrverbots durch Maßnahmen wie z.B. die teilweise Inanspruchnahme von Urlaub, die Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln oder Taxen, die Heranziehung eines Angestellten oder Verwandten als Fahrer, die Beschäftigung eines Aushilfsfahrers, insbesondere durch eine Kombination dieser Maßnahmen, auszugleichen. Für hierdurch auftretende finanzielle Belastungen muss notfalls ein Kredit aufgenommen werden (vgl. OLG Frankfurt NStZ-RR 2000, 312; OLG Karlsruhe NZV 2004, 653; BayObLG NZV 2002, 143). Derartige Belastungen durch einen Kredit, der in kleineren für den Betroffenen tragbaren Raten abgetragen werden kann, und der sich im Hinblick auf die verhältnismäßig kurze Dauer eines Fahrverbots von 1 Monat in überschaubaren Grenzen bewegt, sind grundsätzlich hinzunehmen. Speziell eine Kombination von Maßnahmen der vorgenannten Art ist in der Regel als zumutbar anzusehen.
Der Tatrichter hat festgestellt, dass der Betroffene vorliegend durch die Verhängung eines Fahrverbots in seiner beruflichen Situation unverhältnismäßig hart getroffen würde. Die Mobilität sei in seiner Situation als selbständiger Kaufmann von besonderer Bedeutung. Die Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel käme nicht in Betracht. Auch könne der höchstpersönliche Einsatz des Betroffenen nicht ersetzt werden. Der persönliche Kontakt zu seinen Kunden vor Ort sei entscheidend. Dem Betroffenen sei es auch nicht möglich, das Fahrverbot während seines Urlaubs abzuleisten, da er längstens für eine Woche zusammenhängenden Urlaub nehmen könne. Die Vollstreckung des Fahrverbots könne bei dem Betroffenen letztlich auf eine drohende Vernichtung seiner wirtschaftlichen Existenz hinauslaufen. Beweiserhebungen, dass dem Betroffenen bei einer Kombination möglicher Ausgleichsmaßnahmen ein Ausgleich der Härten nicht möglich oder zumutbar wäre, sind indes nicht getroffen worden. Auch ist den Urteilsgründen zu entnehmen, dass allein die Einlassung des Betroffenen maßgeblich für die Entscheidung war, vom Regelfahrverbot abzusehen. Die Übernahme der ungeprüften Angaben des Betroffenen reicht indes nicht aus.
Überdies hat das Amtsgericht sich nicht hinreichend damit auseinander gesetzt, warum trotz der verkehrsrechtlichen Vorbelastung von der Verhängung eines Fahrverbotes abgesehen werden konnte.
Da weitere Feststellungen zur Frage der außergewöhnlichen Härte wahrscheinlich erscheinen, kommt eine Entscheidung durch den Senat nicht in Betracht.
III.
Auf die Rechtsbeschwerde der Staatsanwaltschaft ist daher das angefochtene Urteil im Rechtsfolgenausspruch aufzuheben. Wegen der Wechselwirkung von Fahrverbot und Geldbuße betrifft die Aufhebung den gesamten Rechtsfolgenausspruch.
IV.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Kempen zurückverwiesen.
Nur ein Fahrverbot bei gleichzeitiger Aburteilung zweier Taten
Oberlandesgericht Hamm, 3 SsOWi 451/09
Aktenzeichen: 3 SsOWi 451/09
Vorinstanz: Amtsgericht Detmold, 4 OWi 56/09
Leitsätze:
Stehen zwei Ordnungswidrigkeiten, die jeweils mit einem Fahrverbot gehandelt werden könnten, in Tatmehrheit, so kann in dem diese Taten gleichzeitig aburteiltenden Urteil nur auf ein Fahrverbot erkannt werden.
Tenor:
1. Die Sache wird dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.
2. Das angefochtene Urteil wird insoweit aufgehoben, dass von den zwei angeordneten dreimonatigen Fahrverboten eines entfällt.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde wird verworfen.
3. Die Kosten des Rechtsmittels trägt der Betroffene.
Gründe
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen fahrlässigen Führens eines Kraftfahrzeuges unter Wirkung berauschender Mittel (Morphin, Kokain und Benzoylecgonin) in zwei Fällen zu Geldbußen von jeweils 750 Euro verurteilt und gegen ihn zwei Fahrverbote von jeweils drei Monaten unter Gewährung der sog. „Viermonatsfrist“ verhängt.
Nach den Feststellungen des Amtsgerichts befuhr der Betroffene am 25.09.2008 und am 28.09.2008 öffentliche Straßen mit einem PKW, wobei er unter Wirkung der o. g. berauschenden Mittel stand.
Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde und rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.
II.
Die Sache war zur Fortbildung des Rechts gem. § 80a Abs. 3 OWiG dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern zu übertragen. Die Frage, ob zwei in Tatmehrheit zueinander stehende Ordnungswidrigkeiten in einem Urteil (neben zwei Geldbußen auch) mit zwei (dreimonatigen) Fahrverboten geahndet werden können oder ob vielmehr in einem Urteil wegen mehrerer Taten nur auf ein einheitliches Fahrverbot erkannt werden kann, stellt eine Rechtsfrage dar, die vorliegend entscheidungserheblich, klärungsbedürftig und abstraktionsfähig ist. Der Umstand, dass bereits einige Oberlandesgerichte diese Frage im letztgenannten Sinne entschieden haben, steht einer Übertragung zur Fortbildung des Rechts nicht entgegen, da diese auch dann angängig ist, wenn es erst vereinzelte obergerichtliche Entscheidungen zu der Rechtfrage gibt und die Entscheidung zur Festigung der Rechtsprechung beiträgt (vgl.: KG Berlin NZV 1992, 162; OLG Hamm NJW 1972, 1061). So verhält es sich hier. Die nachfolgend unter III. geschilderte Rechtsprechung zu der aufgezeigten Frage gilt es zu festigen, zumal bisher – soweit ersichtlich – eine Entscheidung des hiesigen Oberlandesgerichts hierzu noch nicht ergangen ist.
Bei dieser Entscheidung (Ziffer 1 des Tenors) handelt es sich um eine Entscheidung des Einzelrichters.
III.
Die Rechtsbeschwerde hat auf die Sachrüge hin geringfügigen Erfolg.
1.
Die Verhängung zweier Fahrverbote von jeweils drei Monaten begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Stehen zwei Ordnungswidrigkeiten, die jeweils mit einem Fahrverbot gehandet werden könnten, in Tatmehrheit, so kann nach der bisher ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung in dem diese Ordnungswidrigkeiten gleichzeitig aburteilenden Urteil nur auf ein Fahrverbot erkannt werden (vgl.: BayObLG Beschl. v. 21.11.1995 – 1 ObOWi 595/95 – juris; OLG Brandenburg VRS 106, 212, 213; OLG Düsseldorf NZV 1998, 298; OLG Düsseldorf NZV 1998, 512, 513; Göhler-Gürtler OWiG 15. Aufl. § 20 Rdn. 6 und Göhler-Seitz a.a.O. § 66 Rdn. 24). Dies wird auf drei Argumente gestützt (OLG Brandenburg VRS 106, 212, 213):
* Parallele zum Strafrecht: Dort darf neben einer Gesamtstrafe auch nur auf ein Fahrverbot erkannt werden.
* Die Funktion des Fahrverbots als Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme verlangt eine Gesamtbetrachtung aller zu ahndenden Ordnungswidrigkeiten und damit die Prüfung – und eventuelle Anordnung – nur eines Fahrverbots.
* Da das Gesetz nicht erlaubt, zwei gleichzeitig rechtskräftig gewordene Fahrverbote nacheinander zu vollstrecken, wäre es sinnlos, mehrere Fahrverbote nebeneinander anzuordnen.
Der Senat schließt sich dieser Ansicht an. Zwar vermag das Argument der Parallele zum Strafrecht wenig zu überzeugen, da dort nach den Regelungen der §§ 53 f. StGB auch eine Gesamtstrafe, also eine einheitliche Hauptsanktion, im Falle der Tatmehrheit gebildet wird, während im Ordnungswidrigkeitenrecht nach § 20 OWiG das Kumulationsprinzip gilt, so dass die beiden Sanktionssysteme insoweit gar nicht vergleichbar sind. Die weiteren Argumente der zitierten Rechtsprechung überzeugen aber. Das Fahrverbot hat Denkzettel- und Besinnungsfunktion. Wie der Rahmen von ein bis drei Monaten Dauer (§ 25 Abs. 1 StVG) zeigt, geht der Gesetzgeber davon aus, dass diese Funktion in diesem Rahmen auch zu erzielen ist, ein längerfristiges Fahrverbot insoweit also nicht erforderlich ist (BayObLG a.a.O.). Grundsätzlich würden zwei in einem Erkenntnis verhängte Fahrverbote auch zeitgleich vollstreckt werden, denn sie würden beide mit der Rechtskraft der Entscheidung wirksam, was eine doppelte Anordnung sinnlos machen würde. Auch in dem Falle der Gewährung der sog. „Viermonatsfrist“ (§ 25 Abs. 2a StVG) – wie hier – gilt nichts anderes. Auch hier würden die Fahrverbote mit Ablieferung des Führerscheins oder spätestens vier Monate nach Rechtskraft wirksam werden. Entsprechendes gilt gem. § 25 Abs. 5 StVG bei ausländischen Fahrerlaubnissen. Aus § 25 Abs. 2a S. 2 StVG lässt sich nichts anderes herleiten, da diese Vorschrift die Verhängung von Fahrverboten in unterschiedlichen Verfahren betrifft („weitere Fahrverbote rechtskräftig verhängt“; i.E. auch OLG Brandenburg a.a.O.). Schließlich spricht gegen eine Kumulation von Fahrverboten auch, dass eine solche gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen ist. Der Umstand, dass dies nicht der Fall ist, während in § 20 OWiG bezüglich der Geldbußen insoweit eine ausdrückliche Regelung getroffen wurde, zeigt, dass Kumulation von Fahrverboten auch nicht möglich sein soll. Dass die Bußgeldbehörde dies alles ggf. unterlaufen könnte, indem sie für jede Ordnungswidrigkeit getrennte Bußgeldbescheide erlässt (vgl. dazu Bohnert in KK-OWiG 3. Aufl. § 20 Rdn. 7) steht dem nicht entgegen. In diesen Fällen könnte, wenn bereits ein Fahrverbot rechtskräftig verhängt war, ggf. bei der Ahndung der weiteren Ordnungswidrigkeit berücksichtigt werden, ob nicht insoweit bereits die Denkzettel- und Besinnungsfunktion durch das erste Fahrverbot erreicht wird.
Der Senat konnte das zweite Fahrverbot gem. § 79 Abs. 6 OWiG selbst in Wegfall bringen, da eine andere Entscheidung als die getroffene insoweit nicht in Betracht kam.
2.
Die weitergehende Rechtsbeschwerde ist offensichtlich unbegründet i. S. v. § 79 Abs. 3 OWiG i. V. m. § 349 Abs. 2 StPO. Die Überprüfung des angefochtenen Urteils aufgrund der Rechtsbeschwerderechtfertigung hat keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ergeben. Insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen aus der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft verwiesen.
Näherer Erörterung bedarf nur Folgendes:
Das Amtsgericht hat zutreffend ausgeführt, dass das Strafverfahren, dem der Besitz von Betäubungsmitteln bei den hier verfahrensgegenständlichen Taten zu Grunde lag, einer gesonderten Verfolgung und Aburteilung der vorliegenden Ordnungswidrigkeiten nicht entgegensteht. Ein Verfolgungshindernis wegen eines Verstoßes gegen das Doppelverfolgungsverbot besteht nicht. Es handelt sich um zwei sachlich-rechtliche Taten die auch grundsätzlich prozessual selbständig sind. Eine unlösbare innere Verknüpfung zweier Handlungen, die über die bloße Gleichzeitigkeit ihrer Ausführung hinausginge, liegt nicht vor, wenn der Täter mit einem Kraftfahrzeug unter Wirkung berauschender Mittel fährt und hierbei Betäubungsmittel ohne einen erkennbaren Beziehungs- bzw. Bedingungszusammenhang als Teil seines persönlichen Gewahrsams mit sich führt (BGH NStZ 2004, 694, 695; vgl. auch: Senatsbeschluss vom 14.07.2009 – 3 Ss OWi 355/09).
Die Annahme, dass der Betroffene bei den Fahrten unter der Wirkung berauschender Mittel (§ 24a StVG) stand, begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Die bei ihm ermittelten Konzentrationen der in der Anlage zu § 24a StVG genannten berauschenden Substanzen lagen (mit Ausnahme der Kokainkonzentration bei der zweiten Tat) jeweils (z. T. deutlich) über den Grenzwerten der Grenzwertkommission (vgl. dazu Hentschel/König/Dauer StVG § 24a Rdn. 21a).
Auch die Bußgeldbemessung begegnet keinen rechtlichen Bedenken. Da im Verkehrszentralregister bereits mehrere Entscheidungen nach §§ 316, 315c Abs. 1 Nr. 1 lit. A StGB eingetragen waren, war vom Regelsatz von 750 Euro gem. Ziff. 242.2 BKatV auszugehen. Die Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Betroffenen reichen aus und stehen der Anwendung des Regelsatzes nicht entgegen. Dem Betroffenen stehen monatlich etwa 1500 Euro, abzgl. 200 Euro Unterhaltszahlungen, zur Verfügung. Insoweit ist die Ahndung der beiden Verstöße mit dem Regelsatz von jeweils 750 Euro (wegen der Voreintragungen) ersichtlich nicht übermäßig. Der Betroffene kann die Geldbußen, auf deren Zahlung er sich mit zeitlichem Vorlauf einstellen kann, aus seinem laufenden Einkommen erbringen, ohne selbst hilfsbedürftig zu werden.
Dass der Betroffene von seiner polnischen Fahrerlaubnis – so seine unwiderlegte Einlassung – in Deutschland ohnehin keinen Gebrauch machen darf, steht einer Anordnung eines Fahrverbots nicht entgegen. Ein Fahrverbot kann auch dann angeordnet werden, wenn der Betroffene gar keine Fahrerlaubnis besitzt (vgl. Hentschel/König/Dauer a.a.O. § 25 Rdn. 11, 31), was das Amtsgericht auch zutreffend begründet hat.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 473 Abs. 1 StPO. Der geringe Teilerfolg rechtfertigt es nicht, den Betroffenen teilweise von den Kosten zu entlasten. Denn nach den Ausführungen unter II.1. ändert sich für ihn in der Sache nichts, da auch ein Fahrverbot von zweimal drei Monaten gleichzeitig zu vollstrecken und damit (wie jetzt auch) de facto ein Fahrverbot von drei Monaten gegeben gewesen wäre.
Der Senat konnte nach Ablauf der Frist des § 349 Abs. 3 StPO entscheiden. Die Frist wurde durch die Zustellung der Antragsschrift der Generalstaatsanwaltschaft an Rechtsanwalt E2 am 02.10.2009 in Lauf gesetzt. Rechtsanwalt E2 ist zwar nicht der vom Betroffenen gewählte Verteidiger und hat das Empfangsbekenntnis „i.V.f. RA E3“ unterschrieben. Rechtsanwalt E2 hat aber auf telefonische Nachfrage des Berichterstatters erklärt, dass er insoweit vom gewählten Verteidiger unterbevollmächtigt war. Die vom Betroffenen unterschriebene Verteidiger-vollmacht berechtigt zur Erteilung einer Untervollmacht.
